COVID-19-Fallzahlen: bitte zitiert nicht die JHU. Sondern die Landesministerien.

Liebe ARD Tagesschau/Tagesthemen und liebes ZDF heute journal: Ihr macht einen fantastischen Job in der COVID-19-Berichterstattung. Danke dafür!

Aber eine Bitte habe ich an Euch und an viele andere deutsche Medien: bitte zitiert nicht die Johns Hopkins University (JHU), wenn Ihr die aktuellen Fallzahlen von bestätigten COVID-19-Infektionen für Deutschland berichtet.

Die Zahlen selbst sind gut. Die Quelle “JHU” jedoch sorgt für ziemlich viel Verwirrung. Bitte zitiert stattdessen unsere Gesundheitsämter und Landesministerien: gleiche Zahlen, korrekte Quelle, weniger Verwirrung. Das versuche ich in diesem Beitrag zu erklären.

Dass viele Bürger sich fragen woher die Diskrepanz zwischen den JHU-Zahlen und den vom Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichten Zahlen kommt, wisst Ihr selbst.

Auch ich habe mich gefragt, warum das heute journal die JHU und nicht das RKI zitiert. In Anbetracht der Unterschiedlichkeit der Zahlen wollte ich das gerne von Euch erklärt bekommen.

Das heute journal ist darauf mit einem Beitrag in der Sendung vom 19.03. eingegangen (kann man in diesem Tweet noch einmal sehen). Aber ich wurde enttäuscht: uns wurde gesagt, dass die JHU sich auf Quellen wie “WHO, CDC, ECDC, NHC, DXY, …” beziehen würde. Wir blieben ratlos. Das war keine plausible Erklärung für die Diskrepanz der Datensätze und für die Entscheidung JHU statt RKI zu zitieren.

Kurzer Exkurs zur genannten Diskrepanz, am Beispiel vom 21. März. Der RKI Situationsbericht zum 21.03.2020 sagt: 16.662 bestätigte Fälle. Die JHU behauptet am heutigen Abend des 21. März: etwa 22.000 bestätigte Fälle. Vergleichbar? Im RKI Situationsbericht steht, dass er dem Datenstand vom 21.03.2020 um 0:00 Uhr entsprechen soll. Also sollte man diese Zahl mit dem letzten Stand der JHU-Daten vom 20.03. vergleichen. Schauen wir nach: time_series_19-covid-Confirmed.csv, Zeile 13, im git repository CSSEGISandData/COVID-19 auf GitHub. Da steht für den 20.03. die Zahl 19.848.

Eine faire Frage ist also: “Warum berichtet das RKI für das Ende des Tages des 20. März etwa 16.600 Fälle, während die JHU für den gleichen Zeitpunkt etwa 19.800 Fälle berichtet?”

Darauf gibt es meiner Meinung nach eine klare und zufriedenstellende Antwort: die JHU-Daten entsprechen aktuellen und offiziellen Daten der Landesministerien. Die RKI-Daten sind geprüfte und verzögert veröffentlichte Daten der selben Landesministerien.

jeder von uns kann sich zu jedem Zeitpunkt des Tages die kleine Mühe machen und die jeweils aktuellen COVID-19-Fallzahlen der einzelnen 16 Bundesländer nachlesen. Ich mache das hier mal vor, mit aktuellen Zahlen von sechs Bundesländern (während ich diesen Text schreibe):

Das Prinzip ist klar. Diese Fallzahlen-Portale und Statistiken der einzelnen Länder sind schon recht gut gemacht. Danke, liebe Landesministerien! Hier verlinke ich noch ein paar mehr davon.

Wenn ich jetzt die Bevölkerung über den aktuellen Stand der bestätigten COVID-19-Fallzahlen in den genannten sechs genannten Ländern informieren wollte, dann könnte ich doch einfach aufsummieren und schreiben: etwa 17.400 Fälle, Stand 21.03. (vormittags/mittags). Quelle: Gesundheitsministerien der Bundesländer.

Oder nicht? Eine plausible, vertrauenswürdige Quelle. Im Gegensatz zur mysterischen, nicht direkt plausiblen Quelle “JHU”.

Wenn man jetzt noch die 10 anderen Länder dazurechnet kommt man auf den derzeitigen Stand (während ich schreibe) von etwa 22.000 bestätigten Fällen (weiter oben haben wir die Zahl schon gesehen: das ist das was die JHU derzeit berichtet während ich das hier schreibe).

Meines Wissens nach ist das genannte Vorgehen (Konsultation der Ländesbehörden) genau das, was ZEIT ONLINE und Berliner Morgenpost akribisch mehrfach am Tag tun. Die erhaltenen Daten pflegen sie sofort in ihre Visualisierungen ein:

Und die Zahlen des RKI? Es schreibt selbst:

“Zwischen dem Bekanntwerden eines Falls vor Ort, der Meldung an […], der Eingabe der Daten in […] und von dort an das RKI liegt eine gewisse Zeitspanne. Die kann gemäß den Vorgaben im Infektionsschutzgesetz zwei bis drei Arbeitstage lang sein.”

Schlussfolgerung 1: Die Landesministerien veröffentlichen, gut aufbereitet, zu jedem Zeitpunkt ihren aktuellen Datenstand. Aggregiert von den ihnen jeweils unterstellten Gesundheitsämtern. Das sind offizielle Zahlen. Und wahrscheinlich auch ganz gute (belastbare) Zahlen. Aber auch diese Zahlen sind natürlich schon verzögert gegenüber den Meldungen der Gesundheitsämter!

Schlussfolgerung 2: Ich denke, dass wir die Zahlen von ZEIT ONLINE und Berliner Morgenpost jeweils guten Gewissens benutzen können. Denn sie repräsentieren meinen Stichproben nach exakt die Veröffentlichung der Landesministerien.

Schlussfolgerung 3: das RKI prozessiert die Daten langsam und erzeugt gegenüber den Landesministerien eine Verzögerung in der Veröffentlichung der Daten von weiteren 1 bis 2 Tagen. Warum das so ist: unklar. Eine eingehende Prüfung der Daten? Vielleicht. Dafür hätte ich gerne eine bessere Erklärung!

Schlussfolgerung 4: Tagesschau und heute journal: bitte nennt als Quelle für die aktuellen Fallzahlen die Landes(gesundheits)ministerien bzw. die Gesundheitsämter. Das ist korrekt und stiftet weniger Verwirrung.

Vielleicht könntet Ihr auch noch zusätzlich ZEIT ONLINE oder die Berliner Morgenpost zitieren, die die Konsultation für uns vornehmen und die jeweils aktuelle Summe für uns bereithalten.

Danke.

Randnotiz 1: ich hatte darüber schon vor ein paar Tagen geschrieben und versucht die Gedanken hier ein bisschen klarer zu sortieren.

Randnotiz 2: ich arbeite an https://github.com/jgehrcke/covid-19-germany-gae. Eine konsolidierte und automatisiert konsumierbare Datenquelle der aktuellen Fallzahlen in Deutschland, der individuellen Bundesländer, inkl. Zeitverlauf in der Vergangenheit.

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